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2.4 Werke zweiter Hand

Ein Sonderfall von urheberrechtlich geschützten Werken sind “Werke zweiter Hand”. Der Begriff ist etwas irreführend, weil er den Eindruck erweckt, ein ursprüngliches Werk werde wiederverwendet. Dem ist aber nicht so. Nach Art. 3 Abs. 2 URG sind Werke zweiter Hand, “geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter, die unter Verwendung bestehender Werke so geschaffen werden, dass die verwendeten Werke in ihrem individuellen Charakter erkennbar bleiben”. Vereinfacht gesagt, liegt grundsätzlich dann ein Werk zweiter Hand vor, wenn ein vorhandenes Werk bearbeitet oder abgewandelt wird. Daher wird auch oft der Begriff “abgeleitetes Werk” verwendet. Eines der anschaulichsten und bekanntesten Beispiele ist Andy Warhols Marylin Monroe-Siebdruck.

Ein Werk zweiter Hand ist selbstständig urheberrechtlich geschützt (Art. 3 Abs. 3 URG), wenn es selber eine geistige Schöpfung ist und einen eigenen individuellen Charakter aufweist. Dabei darf die Schöpferin oder der Schöpfer eines Werks zweiter Hand nicht einfach die Charakteristika und Eigenheiten des vorhandenen Werks übernehmen, sondern muss dem Werk zweiter Hand eine individuelle Note verleihen.

Beispielhaft, also nicht abschliessend nennt das Urheberrechtsgesetz in Art. 3 Abs. 2 URG für Werke zweiter Hand Übersetzungen und Bearbeitungen. Auch wenn nicht explizit genannt, muss aber auch hier der individuelle Charakter gegeben sein. Bei Übersetzungen prägen Wort- und Stilwahl des Werks in der Regel die erforderliche Individualität.

Allerdings ist bei Übersetzungen Art. 5 Abs. 2 URG zu beachten: handelt es sich um Übersetzungen von nicht geschützten Werken nach Art. 5 Abs. 1 URG (z.B. eine Übersetzung eines Gesetzes), dann sind auch diese vom Urheberschutz ausgeschlossen.

Bei Bearbeitungen ist zu differenzieren: handelt es sich nur um blosse Bearbeitungen ohne jegliche schöpferische Qualität (z.B. eine Änderung eines Buntfotos in ein Schwarz-Weiss-Foto) oder weist die Bearbeitung einen individuellen Charakter (z.B. Verfilmung eines Buches) auf. Im ersten Fall liegt eine Änderung des Werks (Art. 11 Abs. 1 lit. a) URG) vor. Im zweiten Fall hingegen liegt ein Werk zweiter Hand vor. Aber in beiden Fällen ist grundsätzlich die Zustimmung des Urhebers oder der Urheberin nötig.

ZU BEACHTEN

Erforderliche Zustimmungen

Nach Art. 3 Abs. 4 URG bleibt der Schutz der verwendeten Werke vorbehalten. Geniesst das ursprüngliche Werk urheberrechtlichen Schutz, verliert es diesen nicht, wenn aus ihm ein Werk zweiter Hand hergestellt wird. Das heisst, für das Herstellen eines Werkes zweiter Hand muss die Einwilligung des Urhebers des originalen Werkes eingeholt werden.

Bsp: eine Assistentin möchte alte Vorlesungsunterlagen des Dozenten überarbeiten und aktualisieren und muss dafür die Zustimmung des Dozenten einholen.

Und für Werknutzer, die das Werk zweiter Hand verwenden wollen, bedeutet dies sogar, dass sie sowohl die Zustimmung von den Urhebern des Originalwerks als auch von jenen des Werks zweiter Hand brauchen.

Bsp. (anknüpfend an das vorangestellte Beispiel): Studenten wollen die aktualisierten Vorlesungsunterlagen scannen und im Internet veröffentlichen. Dann muss sowohl der Dozent als auch die Assistentin um Zustimmung gefragt werden.
Liegen diese Zustimmungen nicht vor, können insbesondere das Änderungsrecht der (Original-)Urheber aus Art. 11 Abs. 1 lit. a URG und die Verwendungsrechte aus Art. 10 URG der Urheber verletzt sein, ausser es liegt ein Fall des Eigengebrauchs vor.

FAQ

2.4-2 Studenten erarbeiten aus ihren Vorlesungsnotizen ein Skript und wollen dieses im Internet veröffentlichen. Dürfen Sie das ohne Weiteres?

Nein, hier ist Vorsicht geboten. Zwar sind wissenschaftliche Erkenntnisse nicht geschützt. Aber die Aufarbeitung des Stoffes, d.h. die Art und Weise, wie eine Dozentin oder ein Dozent das Wissen in einer Vorlesung vermittelt, kann durchaus dem Urheberrechtsschutz unterfallen, wenn damit der Werkscharakter erfüllt wird. Werden dann die Vorlesungsnotizen in einem Skript so aufgearbeitet, dass sie die Struktur und den Inhalt der Vorlesung übernehmen, so kann ein derartiges Skript als Werk zweiter Hand angesehen werden. Für die Herstellung des Skripts und die Verwendung (Veröffentlichung im Internet) ist die Zustimmung des Dozenten oder der Dozentin notwendig.

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